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Albanischer Außen- und Europaminister Ditmir Bushati in Brüssel
Hoffnungen für 2018: Albaniens Schritte Richtung Europäische Union

In Brüssel zeichnet sich ab, dass die Länder des Westbalkans im Jahr 2018 entscheidende Fortschritte im Annäherungsprozess an die Europäische Union (EU) erreichen können. Die EU-Kommission kündigte eine Westbalkanstrategie für Februar 2018 an. Bulgarien, das für die erste Jahreshälfte 2018 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, erklärte die Region zu einer ihrer Prioritäten. Mehrere hochrangige Gipfeltreffen stehen allein in der ersten Jahreshälfte an.

Unter diesen positiven Vorzeichen für das neue Jahr  veranstaltete die Hanns-Seidel-Stiftung noch im Dezember 2017  in Brüssel eine Konferenz mit dem albanischen Außen- und Europaminister Ditmir Bushati. Die Diskussion moderierte Dr. Dusan Relijc, Leiter des Brüsseler Büros der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und ausgewiesener Kenner der Region.

MdEP Kukan berichtet von Erfahrungen seines Heimatlandes Slowakei im EU-Beitrittsprozess

MdEP Kukan berichtet von Erfahrungen seines Heimatlandes Slowakei im EU-Beitrittsprozess

hss; hss

Justizreform als ehrgeizig akzeptiert

Einleitend stellte Bushati die bisherigen Errungenschaften seines Landes dar. Albanien habe fünf Schlüsselprioritäten für den EU-Annäherungsprozess festgelegt, die den Rahmen der albanischen Reformen definieren. Neben der Reform der öffentlichen Verwaltung, dem Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption sowie der Stärkung von Menschenrechten stehe momentan vor allem die Erneuerung des Justizsektors im Mittelpunkt der Reformbemühungen. Bushati betonte die Wichtigkeit dieses Bereichs als Dreh- und Angelpunkt, wirke es sich doch nachhaltig auf die anderen Reformbestandteile aus. Die Justizreform gilt in Brüssel als sehr ehrgeizig und einmalig am Balkan. 

Außen- und Europaminister Bushati stellt die Prioritäten Albaniens für 2018 dar

Außen- und Europaminister Bushati stellt die Prioritäten Albaniens für 2018 dar

Jorida Murati; hss; hss

Mehr Tempo im Beitrittsprozess angemahnt

Der Minister drängte die EU zu einem höheren Tempo im Erweiterungsprozess, denn mit der bisherigen Geschwindigkeit verlören die Länder des Westbalkans das Beitrittsziel aus den Augen. Die EU müsse mehr Wert darauf legen, gemeinsame Herausforderungen, wie Radikalisierung, Terrorismus und internationale Kriminalität gemeinsam mit ihren Partnern in Südosteuropa zu bekämpfen. Bushati erinnerte die Zuhörer: „Die Geschichte hat gezeigt, dass die EU in der Region immer dann erfolgreich ist, wenn sie sich intensiv mit ihr beschäftigt.“ Im Umkehrschluss bedeute dies, dass die EU sich eine fragile Problemregion vor der eigenen Haustür schaffe, sollte sie den Annäherungsprozess und die politischen Geschehnisse in der Region stiefmütterlich behandeln. Dies eröffne nämlich weiteren Akteuren in der Region Handlungsspielräume. Als Beispiele nannte er China, Russland und Saudi-Arabien. Die EU laufe so Gefahr, in ihrer eigenen direkten Nachbarschaft marginalisiert werden. 

Blick ins Publikum der Konferenz

Blick ins Publikum der Konferenz

Jorida Murati; hss; hss

Danielsson: Aussöhnung über Kontakt der Menschen am Westbalkan

In der sich anschließenden Diskussion bekräftigte Generaldirektor Christian Danielsson den Eindruck, dass die EU den Westbalkan im nächsten Jahr weiter in den Mittelpunkt der politischen Entscheidungen rücken werde. Die anstehenden EU-Ratspräsidentschaften von Bulgarien, Österreich und dann 2019 Rumänien würden die Region prioritär behandeln. Wichtig sei nun, dass einerseits die EU-Integration vorangetrieben werde, beispielsweise durch einen verstärkten wirtschaftlichen Austausch, aber die Länder andererseits ihre Vernetzung untereinander vorantrieben, so Danielsson. Dies könne im Rahmen von gemeinsamen Infrastrukturprojekten und einer regionalen Wirtschaftszone erfolgen, wobei aber vor allem der Kontakt zwischen den Menschen die entscheidenden Impulse gebe. Denn solche Kontakte seien entscheidend für den Aussöhnungsprozess in der Region. In diesem Kontext bezeichnete der EU-Spitzenbeamte den Aufbau des regionalen Jugendwerks RYCO („Regional Youth Cooperation Office“) als „wichtigen Schritt“. Er freute sich darüber, dass es „endlich seine operative Arbeit aufgenommen hat“. Speziell zeigte Danielsson sich beeindruckt von den Reformbestrebungen Albaniens und lobte, wie tiefgreifend die Justizreform ansetze und eine der Kernmaßnahmen, die Überprüfung aller Richter und Staatsanwälte (sog. „vetting“) begonnen habe. Dass auch in der Bevölkerung ein so breiter Rückhalt für diesen Reformprozess herrsche, sei beispielhaft. 

Minister Bushati und EU-Parlamentarier Eduard Kukan im Gespräch

Minister Bushati und EU-Parlamentarier Eduard Kukan im Gespräch

Jorida Murati; hss; hss

Reformen als zentraler Baustein für Zukunft

Der Europaabgeordnete Eduard Kukan stellte ebenfalls diese Reformen als zentral dar. Albanien werde, wenn alle Reformen des Justizsektors erfolgreich implementiert seien, „der leuchtende Stern in der Region, an dem sich sogar manch ein EU-Mitgliedsstaat ein Beispiel nehmen kann“, erklärte der slowakische EU-Parlamentarier. Er widmete sich auch der Situation in den anderen Ländern des Westbalkans. So würden Serbien und Montenegro regelmäßig als Vorreiter im Annäherungsprozess genannt, aber auch Albanien, wie die Justizreform zeige, und daneben Mazedonien hätten wichtige Fortschritte gemacht. Letzteres stehe unter dem neuen Regierungschef Zoran Zaev möglicherweise sogar vor einem Durchbruch in dem Konflikt mit Griechenland um den eigenen Landesnamen, äußerte sich Kukan optimistisch. Albanien sei in der Region ein wichtiger Akteur, pflege das Land doch in der Regel außerordentlich gute Beziehungen zu seinen Nachbarn.

Während der Diskussion mit dem Publikum lehnten alle Sprecher ab, sich auf ein konkretes Zieldatum für den Beitritt Albaniens zur EU festzulegen. Wichtig sei, dass Albanien den Reformprozess engagiert weiter verfolge und die EU und ihre Mitgliedstaaten ehrlich und fair mit den Partnern im Westbalkan verhandelten. Die Erwartungen an Albanien seien hoch, schlussfolgerte Bushati. Die Diskussion habe gezeigt, dass dies nicht unbegründet sei und sein Land, genau wie die Region, das kommende Jahr für entscheidende Entwicklungen nutzen wolle. 

Entwicklungspolitischer Dialog
Ilke Fidan
Wissenschaftliche Mitarbeiterin